Hintergründe von Notzulassungen für Neonicotinoiden

Christine Bauer

Ergänzung zum Beitrag über die Neonics/ Riskante Forderungen

Bis zum Jahr 2018 wurde auch in Deutschland Saatgut mit Neonicotinoiden gebeizt bzw. behandelt.

Ziel war, die Laus als möglichen Träger des Vergilbungsvirus1 (und anderer Erreger) auszuschalten.

Der Wirkstoff war nach dem Beizen bereits in der Pflanze, die Laus hat ihn über den Pflanzensaft aufgenommen und die Ausbreitung des Virus damit verhindert. Nachdem die EU die, für andere Insekten ebenfalls schädlichen Wirkstoffe 2018 verboten hatte, wurde auf das Spritzen mit Kontaktmitteln zurückgegriffen. Das setzt allerdings voraus, dass die Spritzflüssigkeit die Laus auch trifft. Da dieses aber nicht 100 % bei jedem Spritzen der Fall sein kann, weil die Läuse auch unterhalb des Pflanzenblattes sitzen, muss häufiger gespritzt werden. Das ist aufwendiger und teuer für den Landwirt.

Trotz des EU- Verbotes zum Einsatz der Neonicotinoiden, können unter bestimmten Voraussetzungen sogenannte Notzulassungen durch das Bundesamt für Verbraucherschutz (BFV) nach Antrag gestattet werden. Diese werden in einem bestimmten Zeitraum und auf eine bestimmte Fläche bezogen. Im Jahr 2021 wurde als Beispiel lt. BFV für den Zeitraum 1.Januar 2021 bis 30.April 2021 für eine Behandlungsfläche von 34.700 ha (Vertragsgebiete der Nordzucker AG) der Wirkstoff Thiamethoxam zugelassen.

Das BFV schreibt dazu auf seiner Internetseite:

Notfallzulassungen werden immer dann benötigt, wenn das aktuelle Aufkommen bestimmter Schadorganismen mit den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmitteln oder alternativen Verfahren nicht mehr bekämpft werden kann. 

Ursachen für fehlende Bekämpfungsmöglichkeiten mit regulär zugelassenen Pflanzenschutzmitteln können sein:

  • Neu auftretende und sich schnell ausbreitende Schadorganismen, verstärkt durch den Klimawandel und Einschleppung durch den internationalen Handel: Im Jahr 2018 wurden mehrere Notfallzulassungen zur Bekämpfung von invasiven Schildlausarten im Obstbau erteilt. Für diese sich schnell ausbreitenden Schadorganismen sind noch keine regulär zugelassenen Pflanzenschutzmittel vorhanden.
  • Resistenzentwicklung bei Schadorganismen: Zur Bekämpfung der Kirschessigfliege im Obst- und Weinbau wurden im Rahmen von Notfallzulassungen zusätzlich zu den bereits bestehenden Zulassungen weitere Mittel mit anderen Wirkmechanismen zugelassen, um eine schnelle Resistenzentwicklung bei der Kirschessigfliege zu verhindern.
  • Wegfall von Wirkstoffen auf EU-Ebene zur Einhaltung eines hohen Schutzniveaus: Im Jahr 2020 führte der Wegfall der EU-Genehmigung für den Wirkstoff Thiram dazu, dass Notfallzulassungen zur Beizung von Rapssaatgut gegen Auflaufkrankheiten für andere fungizide Wirkstoffe notwendig wurden.

Den Antrag auf Notfallzulassung können Verbände, Behörden, Firmen und Hersteller von Pflanzenschutzmitteln stellen.

1Bei einer durch das Virus befallenen Pflanze färben sich die Blätter gelb; das Sonnenlicht kann von der Pflanze nicht mehr für die Photosynthese verwendet werden